Im Laufe des letzten Jahres berichtete ich Ihnen, dass Überproduktion, eine an die in den 1980iger Jahren heranreichende Rekordverschuldung sowie Fehlentscheidungen in Bezug auf die Art und Weise, wie einzelne Farmen betrieben werden, immer mehr Landwirte in den Vereinigten Staaten vor gravierende, wirtschaftliche Existenzprobleme stellen.

Nach Dean Foods: Auch Borden Dairy Company, einer der ältesten und größten Milchbetriebe, insolvent

Ins Bild passt, dass die Borden Dairy Company, einer der ältesten und größten Milchbetriebe Amerikas, vor wenigen Tagen einen Insolvenzantrag eingereicht hat. Borden Dairy ist damit gleich der zweite Großbetrieb, der innerhalb der letzten zwei Monate Insolvenz beantragt hat. Zuvor hatte es schon Dean Foods, den größten Milchproduzenten des Landes, kalt erwischt.

Es sind nicht nur die erdrückenden Schulden, die wie ein Pfund Blei auf vielen Milchfarmen lasten. Auch der landesweite Milchkonsum erwies sich über die letzten Jahre als deutlich rückläufig. So zeigen Daten aus der amerikanischen Milchindustrie, dass der landesweite Milchkonsum seit dem Jahr 2015 um mehr als sechs Prozent zurückgegangen ist.

In dem durch Borden Dairy eingereichten Insolvenzantrag heißt es, dass die Firma dem eigens aufgebauten Schuldenberg nicht mehr habe standhalten können. Gleichzeitig sieht sich das Unternehmen nicht mehr dazu in der Lage, den in der Vergangenheit eingegangenen Renten- und Pensionsverpflichtungen nachzukommen.

Bei Borden Dairy sind (waren) insgesamt 3.300 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei Borden wurde darüber hinaus Bezug auf aktuelle Statistiken genommen, die zeigen, dass allein im letzten Jahr mehr als 2.700 in Form von Familienbetrieben geführte Farmen aus dem Wettbewerb ausgeschieden sind.

Sektor leidet unter hohem Margendruck

Es empfiehlt sich, noch ein wenig stärker in die Vergangenheit zu blicken, da seit dem Jahr 1992 insgesamt 94.000 Landwirtschaftsbetriebe ihre Milchproduktion aufgegeben haben. Es mag daran liegen, dass die Fixkosten in der amerikanischen Milchindustrie über den Verlauf der letzten Jahre teils bedeutsam gestiegen sind.

Gleichzeitig sind die Milchpreise aufgrund eines rückläufigen Konsums gesunken. Es lässt sich somit leichterdings nachvollziehen, wenn es im Insolvenzantrag der Firma Borden Dairy weiter heißt, dass Milchproduzenten landesweit unter einem enormen Margendruck leiden.

   

   

Das Unternehmen habe laut Management zwar den Versuch unternommen, sich mit den eigenen Kreditgebern auf eine Reihe von „strategischen Plänen“ zu einigen – jedoch ohne Erfolg.

Im Zuge des Insolvenzverfahrens beabsichtigt die Firma ihre Produktion aufrechtzuerhalten, ohne allerdings bislang eine Entscheidung darüber getroffen zu haben, den Betrieb zukünftig weiterzuführen oder nicht.

Im Zuge des Insolvenzverfahrens beabsichtigt das Unternehmen, ausstehende Schulden abzustreifen, um hernach eine solche Entscheidung zu treffen. Im Gesamtjahr 2018 lag der Umsatz von Borden Dairy bei 1,22 Milliarden US-Dollar, während ein Nettoverlust in Höhe von 14,65 Millionen US-Dollar anfiel.

Für die Geschäftsperiode Januar bis Mitte Dezember 2019 berichtete Borden Dairy über einen deutlich gekletterten Nettoverlust in Höhe von 42,41 Millionen US-Dollar. Die Historie des Unternehmens lässt sich bis in jene Tage vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs im Jahr 1856 zurückverfolgen.

Finanzielle Probleme in den 90igern führten zu Aufkauf durch Private Equity Company

Im Jahr 1861 kam es zum Bau einer ersten Milchfabrik im Norden des Bundesstaats New York. Seitdem ging es mit den Geschäften im Angesicht einer Belieferung der Unionsarmee mit kondensierter Milch beständig aufwärts. Bis zum Jahr 1930 hatte Borden Dairy mehr als zweihundert konkurrierende Milchbetriebe aufgekauft.

In den Folgejahren wurde die schwerwiegende Entscheidung getroffen, auch in andere und somit unternehmensfremde Industriezweige – wie dem Chemiegewerbe – zu expandieren. In diesem Zuge kaufte Borden Dairy bis in die frühen 1990iger Jahre zahlreiche Unternehmen aus anderen Industriezweigen auf, um zu einer Art „Gemischtwarenladen“ zu avancieren.

Es dauerte dann nicht mehr lang, bis das Unternehmen in den frühen 1990iger Jahren in finanzielle Probleme hineinschlitterte. Konsequenterweise wurde Borden Dairy dann im Jahr 1995 durch eine sogenannte Heuschrecke beziehungsweise Private Equity Company – namentlich KKR – für zwei Milliarden US-Dollar aufgekauft.

Wisconsin mit höchster Insolvenzquote – Trend setzt sich fort

In der Folge wurde das diversifizierte Geschäft von Borden Dairy wieder fast komplett auf die Milcherzeugung zurückgestutzt. Im letzten Jahr war ich bereits ein wenig ausführlicher auf die prekäre Lage der Milchindustrie in den USA eingegangen. Unter anderem erweist sich der Bundesstaat Wisconsin als Paradebeispiel, wo eine Vielzahl von Milchfarmen angesiedelt ist.

Dort lasten neben einem rückläufigen Geschäftsverlauf vor allem auch die durch die Trump-Regierung eingeführten Sonderzölle auf dem Milchgewerbe. Die Situation ist in Wisconsin inzwischen derart prekär, dass es laut Verbänden und regionalen Medien in den kommenden Jahren keine Milchproduktion in Wisconsin mehr geben könnte.

Trumps Sonderzölle scheinen sich als letzter Sargnagel für einen zuvor bereits finanziell stark angeschlagenen Landwirtschaftssektor zu erweisen. Höfe und Betriebe, die nicht selten seit mehr als einhundert Jahren durch aufeinanderfolgende Familiengenerationen bewirtschaftet wurden, geben im Norden Amerikas mittlerweile reihenweise auf und schließen ihre Pforten.

Allein im Lauf der vergangenen zwei Jahre sind in Wisconsin mehr als 1.200 Milchbauern und deren Höfe aus dem Wettbewerb ausgeschieden. Im vergangenen Jahr belief sich die Anzahl der aufgegebenen Farmen und Insolvenzen in Wisconsin auf mehr als 220 Fälle.

In diesem Zuge sind die in Wisconsin unterhaltenen Viehherden unter die Schwelle von 8.000 gefallen, was nur noch der Hälfte der noch vor fünfzehn Jahren unterhaltenen Viehbestände im Bundesstaat entspricht.

Im Jahr 2018 wurden in Wisconsin insgesamt 49 Großinsolvenzen im Landwirtschaftssektor verzeichnet, womit der Bundesstaat auf die landesweit höchste Insolvenzquote im Agrarsektor blickt, wie die American Farm Bureau Federation berichtete. Im Jahr 2019 setzte sich dieser Trend fort.

   

    

„Was heißt das für mich konkret!?“

Die in den Bericht eingefügten Grafiken zeigen anschaulich, wie die Milchproduktion in den USA bei rückläufigen Viehherden und Betrieben immerfort zugenommen hat. Eine technisch bedingte Überproduktion trifft auf eine seit Jahren rückläufige Konsumnachfrage.

Eine massive Verschuldung lastet zudem wie ein Pfund Blei auf der gesamten Industrie. Gleichzeitig erweisen sich die ausstehenden Pensions- und Rentenverpflichtungen unter einer Vielzahl von Unternehmen als nicht mehr tragbar.

Die nun in geringem zeitlichen Abstand aufeinanderfolgenden Insolvenzen der beiden größten Milcherzeuger des Landes legen Zeugnis hierüber ab. Subventionszahlungen durch das US-Landwirtschaftsministerium setzen fatale Anreize, um die landesweite Überproduktion noch stärker auszuweiten. Das Resultat: weiter sinkende Milchpreise.

Gleichzeitig sorgen diese Subventionen dafür, dass viele Unternehmen trotz der zahllosen Insolvenzen in den vergangenen Jahren weiter am Wettbewerb festhalten, um irgendwann unter ihrer Schuldenlast zusammenzubrechen.

Eine auf elektronische Weise beständig frisches Geld erzeugende Federal Reserve trägt dazu bei, dass sich Unternehmen, die eigentlich längst aus dem Wettbewerb hätten ausscheiden müssen, sich noch immer zu spottniedrigen Zinsen an den Junkbondmärkten verschulden oder sich ihre dort ausstehenden Schulden zu rollieren in der Lage sehen.

Unternehmensführungen fahren damit fort, ihre Verschuldung so lange auszuweiten, bis das absolute Limit erreicht ist, um sich in der Zwischenzeit exorbitante Gehälter und Boni auszuzahlen. Zum selben Zeitpunkt werden immer mehr produktive Vermögenswerte dieser Firmen veräußert, um das Unternehmen an sich finanziell am Leben erhalten zu können.

Dean Foods und Broden Dairy sind nur zwei weitere Beispiele für diese anhaltende Entwicklung, die auf allen genannten Ebenen nicht nachhaltig und langfristig untragbar ist. Die kürzlich eingereichten Insolvenzen beider Unternehmen legen Zeugnis hierüber ab.

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